Wenn die Muse zuschlägt

Wie finde ich Inspiration zum Schreiben?

Wenn die Muse zuschlägt – Teil 1

Mit Inspiration und der Muse ist das ja bekanntermaßen so eine Sache. Wenn du auch ein Schreiberling bist, kennst du es vielleicht, dieses Gefühl, auf einmal gar nicht mehr schreiben zu können. Plötzlich fühlst du dich, als hätte ein Staubsauger in deinem Kopf gewütet, du bist genervt, denn eigentlich würdest du doch so gern mal wieder was zu Papier bringen. Was, wenn es nicht weitergeht, weil der Brot-Job oder Alltag dir mal wieder alle Kraft raubt und für Inspiration einfach keine Zeit bleibt? In dieser Musen-Blog-Reihe möchte ich dir Mut machen und Beispiele aus meinem eigenen Musen-Alltag erzählen, denn im Grunde lauert sie überall – solange du nicht darauf wartest, dass sie dich ‚küsst‘, sondern zulässt, dass sie ordentlich zuschlägt. Brutal, irreparabel und vollkommen aus heiterem Himmel. Was du dazu tun musst? Nur deine Sinne parat halten und die Fantasie von der Leine lassen.

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Geld findest du nicht auf der Straße, Geschichten schon

Eine meiner so offensichtlichen und doch hart erarbeiteten Erkenntnisse sagt, dass man Geld (meistens) nicht auf der Straße findet, Geschichten hingegen schon. Haufenweise, ohne Ende, mehr, als man eigentlich braucht. Dafür reicht es schon, hinzuschauen oder hinzuhören. Reisen und Neues können der Inspiration zwar ab und zu – salopp gesagt – einen Tritt in den Hintern verpassen, aber im Grunde ist es ausreichend, wenn du nur eine Minute innehältst und Revue passieren lässt, wo du dich gerade befindest und was es um dich herum gibt. Du bist in deiner Wohnung? Super. Wann hast du das letzte Mal den Nachbarn unter dir gesehen, den, dessen Jalousien ganz oft runtergelassen sind, und bei dem du schon oft vergeblich geklingelt hast, wenn deine Katze mal wieder ein Spielzeug hat fallenlassen? Was, wenn ihm etwas zugestoßen ist? Wurde er ermordet (interessant, falls du Krimis schreibst)? Hat er eine Frau kennengelernt und ist ihr nach XXX gefolgt (falls du Liebesgeschichten schreibst)? Hat sich sein Reiseatlas geöffnet und ihn eingeladen, hineinzuspazieren und sich in eine ferne Welt zu begeben (falls du Fantasy schreibst – sorry, nicht so meins)? Die Möglichkeiten sind unendlich. Und das nur, weil du deinen Nachbarn länger nicht gesehen hast.

„Mein Nachbar wurde ermordet!“

Hierzu eine kleine Anekdote aus meinem Schreiberleben: Stell dir vor, du erscheinst eines Tages ahnungslos zur Arbeit, noch dazu zu einer Konferenz, die einen sonnigen Nachmittag kaputtmacht. Alle sitzen auf ihren Plätzen, dösen vor sich hin, als er kommt, der eine Satz, der ruckzuck Chaos in deinem Kopf verursacht, ja gar dein Leben verändert: „Wisst ihr was? Mein Nachbar wurde ermordet im Canal du Midi gefunden!“ Da! Ein einfacher Satz, ausgesprochen von einer jahrelangen Kollegin, die du nun wirklich nicht mit mysteriösen Toten und gar Mord in Verbindung bringen würdest. (Also hör ruhig zu, wenn selbst die größte Quasselstrippe auf der Arbeit mal wieder von ihrem letzten Wochenende oder einem neuen ‚Abenteuer‘ berichtet – ich bin ganz sicher, dass du etwas, irgendetwas von dem, was sie sagt, in einem Roman verwursten könntest! Und so beziehst du den Arbeitsalltag bereits in deine Fantasie mit ein, bis du es kaum erwarten kannst, nach Hause zurückzukehren und mit dem Schreiben zu beginnen.)
Damals lebte ich seit genau drei Jahren an eben jenem Canal du Midi in Toulouse, Südfrankreich, ging dort joggen, machte Fahrradausflüge und sah ihn mal als braune Brühe, mal als echtes Konstruktionswunder von Pierre Paul Riquet aus dem Jahre 1681. Als Quelle besonderer Inspiration sah ich ihn jedoch nicht. Meine Kollegin beließ es nicht dabei, nein, sie erzählte von dem Nachbarn, einem Roland, und von dessen Hund, der allein nach Hause zurückgekehrt sei und Alarm geschlagen habe. Der Täter sei noch immer nicht gefasst, obwohl der Mann eindeutig erstochen worden sei. Eine Geschichte wie aus einem Krimi.

Deine Umgebung

Nun wirst du nicht unbedingt das Glück (oder eher Pech?) haben, dass sich vor deiner Haustür ein Mord abspielt. Muss es auch gar nicht. Das Wichtige ist das Zuhören, Geschichten sammeln und dann weiterspinnen. Tritt aus deiner Haustür und schau dir die ersten Meter drum herum an, als hättest du sie noch nie gesehen. Stell dir vor, du wärst ein Freund oder eine Freundin aus einer anderen Stadt und sähst diesen Ort zum ersten Mal. Was fällt dir auf? Was siehst, hörst und riechst du? Steht irgendwo ein Fenster offen? Kocht da jemand was? Ist das Essen schon leicht angebrannt? Warum? Vielleicht wurde der Koch oder die Köchin abgelenkt, eventuell von einem Telefonat. Wer hat angerufen? Warum? Was, wenn der Anrufer eine schreckliche Nachricht überbracht hat? Oder eine besonders freudige (aber seien wir mal ehrlich zu uns selbst, am schnellsten fliegen uns die Buchseiten immer durch die Finger, wenn es Probleme gibt, oder etwa nicht?). Du siehst, es geht so schnell. Die Fragen sammeln sich in deinem Kopf und du willst Antworten darauf finden. Setz dich hin und schreib jedes noch so kleine Detail auf. Selbst wenn du es nicht jetzt sofort für ein neues Buchprojekt brauchen kannst, könnte es für das nächste hilfreich sein. Oder in einem Moment, wenn du dich mal wieder Musen-verlassen fühlst. Mich hat der ermordete Nachbar meiner Arbeitskollegin zu einem ganzen Krimi inspiriert. Zu ‚Mord en rose‘. Eine Geschichte, die ich teils bei der Arbeit, teils auf der Straße gefunden habe. Durch einfaches Zuhören und Weiterspinnen. Probiere es einfach mal.

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